Beim Blick auf die Fluren rund um Kohlberg kann man sich heute nur schwer vorstellen, dass früher einmal unter dem Jusi in großem Stil Weinbau betrieben wurde. Mönche des Klosters Zwiefalten waren es, die sich im Jahre 1102 in Kohlberg niederließen um zur Anlage und Pflege der Weinberge sowie zur Steigerung des Ertrags beizutragen. Im Jahre 1135 berichtete der Mönch und Chronist Ortlieb von Zwiefalten über den Besitz in Kohlberg: „In dem Jahr, in dem ich diese Worte meinem Griffel anvertraue, haben wir aus diesen Weinbergen 64 Fässer mit Wein gefüllt; so sehr waren damals die Himmel honigtriefend“. In späteren Urkunden der Stadt Nürtingen aus dem 16. Jahrhundert wird das Kohlberger Gewächs als „mittelmäßiger, doch den besseren der Gegend beizuzählenden Wein“ bezeichnet.
Bereits im Jahr 1525 wurde erstmals eine Kelter in Kohlberg erwähnt. Schon vor dem Jahr 1552 musste ein zweiter Kelternbaum in die Kelter eingebaut werden. Dies deutet auf eine Ausdehnung des Weinbaus in Kohlberg hin. Die heutige Kelter wurde im Jahr 1579 erbaut und steht wohl am selben Ort in der Mitte des Dorfes, an dem sich das Vorgängerbauwerk befunden hatte. Die Jahreszahl 1579 ist noch heute an der Kelter in Stein gemeißelt zu sehen.
Dendrochronologische Untersuchungen aus dem Jahr 1979 belegen, daß das verwendete Bauholz im Frühsommer des Jahres 1579 geschlagen wurde. Das Fachwerk der Kelter wurde aus Eichenholz gebaut. Der Grundriss des Gebäudes gliederte sich in zwei parallele Längsschiffe, bestehend aus 6 Achsen. Der Dachraum war nicht begehbar. Die Verzapfungen und Verblattungen der Holzkonstruktion entsprechen der im Mittelalter üblichen Verbindungstechnik im Zimmereihandwerk. Eine weiter wachsende Bedeutung des Weinbaus untermauert ein dritter Kelternbaum, der in einem Lagerbuch aus dem Jahr 1665 erwähnt ist.
Die Kelter gehörte nach ihrer Erbauung der örtlichen Kirche, dem sogenannten „Heiligen“. Der Heilige hatte die Kelter auch zu unterhalten. Für das Schmiedewerk musste dagegen die Herrschaft Württemberg aufkommen. Dafür erhielten der Heilige und die Herrschaft Württemberg je zur Hälfte von jedem Fuder Wein (ca. 1764 Liter) das in der Kelter gepresst wurde, den sogenannten „Kelterwein“. Im Jahr 1828 ging die Kelter vom kirchlichen Besitz in das Eigentum der Gemeinde über.
Die Bedeutung des Weinbaus in Kohlberg wird belegt durch die Darstellung einer Weintraube im Gemeindesiegel aus dem Jahre 1820. Im Ortswappen aus dem Jahr 1952 ist im unteren Teil des Schildes eine blaue Weintraube auf silbernem Grund zu sehen. Im Jahr 1863 gab es auf Kohlberger Gemarkung 70 Morgen (ca. 22 ha) Weinberge, die einen durchschnittlichen Ertrag von jährlich 350 bis 400 Eimer Wein lieferten. Durch Missernten und die Einschleppung von Schädlingen ging der Ertrag in den Jahren von 1920 bis 1925 stark zurück. Nach dem 2. Weltkrieg ist die Rebfläche auf ca. 6 ha geschrumpft, im Jahr 1993 sind nur noch 1,5 ha verblieben. Bis zur Gründung der Weingärtnergenossenschaft „Hohenneuffen-Teck“ im Jahr 1948 wurde der Wein von jedem Wengerter selbst gekeltert, ausgebaut und vermarktet.
Als Konkurrenz zum Weinbau wuchs die Bedeutung des Obstbaus in Kohlberg. Auslöser dafür war dessen starke Förderung durch Herzog Carl Eugen. In einer Ortsbeschreibung vom Oberamt Nürtingen aus dem Jahr 1848 ist über den Obstbau in Kohlberg zu lesen: „Die Obst- und namentlich Kirschen-Zucht gehört zu den wichtigsten des Bezirks; es wird sehr Vieles grün verkauft, vieles Steinobst auch zu Branntwein, besonders die Kirschen zu Kirschwasser gebrannt. Die Ausdehnung dieses Nahrungszweiges und die Veredelung der Sorten ist noch immer im Zunehmen begriffen“. In Folge der veränderten Anforderungen wurde im Jahr 1862 ein Kelternbaum aus der Kelter entfernt. Als Ersatz dafür wurde eine „englische Presse“ angeschafft, mit der auch Mostobst gepresst werden konnte. Der Most als „schwäbisches Nationalgetränk“ erlangte seine große Bedeutung. Eine spürbare Erleichterung bei der Mosterzeugung war die Anschaffung einer hydraulischen Doppelkorbpresse mit elektrischem Spindelförderer und Obstmühle im Jahr 1930 durch die Raiffeisenbank Kohlberg eG. Die Nutzung der „Mosterei“ in der Kelter ging beginnend mit den Jahren 1970 spürbar zurück. Der Most verlor immer mehr an Bedeutung bei der Getränkeversorgung und so wurde der Keltereibetrieb am Ende der Saison 1998 eigestellt.
In den Jahren 1971 und 1972 wurde die Kelter renoviert. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Sanierung wurde bereits damals sichtbar. Das markante Gebäude an der Hauptstraße in der Nähe zur Kirche und zum Rathaus steht unter Denkmalschutz und musste erhalten werden.
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